Hey Jan, du bist behindert!
Die ersten Monate habe ich dieses Thema aus meinem Blog bewusst rausgehalten. Jedoch habe ich im Laufe der Zeit, meist in Randbemerkungen, das Thema im Blog schon mal angerissen. Und es ist ein Teil von mir, deshalb denke ich sollte es auch nichts ausmachen, dass ich mal darüber schreibe.
Ich habe eine körperliche Behinderung. Konkret eine Hemiparese. Und in verständlicher Sprache ausgedrückt bedeutet das, dass ich auf der, in meinem Fall, rechten Körperseite eine Spastik habe, wodurch ich durch wie Welt humpel und den Alltag meist mit einer Hand bewältige, da meine rechte Hand nur grobmotorisch einsatzfähig ist.
So schreibe ich diesen, wie jeden Beitrag, mit nur einer Hand. Ob ich langsam im Tippen bin? Nicht wirklich, denn ich kann mit Leuten, die das Zehn-Finger-System beherrschen, fast mithalten. Und auch sonst fühle ich mich im Alltag nicht wirklich eingeschränkt. Für die meisten Dinge, bei denen man denkt, man bräuchte zwei Hände, habe ich wie selbstverständlich eine Lösung, die auch mit einer Hand funktioniert. Klar, Sportarten, in denen man bspw. viel Rennen muss gehen nicht. Aber hey, was solls. Man braucht es ja nicht unbedingt.
Daher ist mir im Alltag so gut wie nie präsent, dass ich eigentlich schon etwas anders bin, als die meisten, die um mich herum sind. Denn es geht ja alles. Ich mache während der Schule Webprojekte, verdiene mir mit dem Technik Kram den einen oder anderen Euro dazu, schreibe hier meinen Blog, der wächst und wächst, und engagiere mich in der Schule als Schülersprecher. Ich spreche gerne auch mal unangenehme Themen an und scheine ein sicheres Auftreten zu haben – so zumindest mein Gefühl, welches auch immer wieder von außen bestätigt wird. Sprich: Ich schränke mich wegen meiner Behinderung nicht ein – wie es manch Andere tun, die sagen sie können Dies und Jenes wegen ihrer Behinderung nicht, obwohl es gehen würde. Auch mach ich mir manchmal einen Spaß aus der Behinderung, denn wenn z.B. im Tischtennis Verein jemand zum anderen „Spasti“ sagt, dann rufe ich „Hier!“. Die Gesichter der Anderen sind, wenn sie das das erste mal hören, einfach immer wieder köstlich amüsierend.
Alles super, oder? Na wäre es das, gäbe es diesen Artikel wahrscheinlich nicht. Im Alltag und bei Sachthemen bin ich sicher, kann mich behaupten und meine Meinung durchbringen. Bei einem Thema springt mir dieser Satz „Hey Jan, du bist behindert!“ in den Kopf. Mädels. Wenn es darum geht, das andere Geschlecht von einem zu überzeugen. Tja, bzgl. Mädels würde ich mich im Allgemeinen eher als den schüchternen Kerl bezeichnen, der nicht aufdringlich sein möchte. Oder auch das Gegenteil eines Aufreißers. Dabei reflektiert man sich ja, zumindest ich mich, häufig selbst, ob sich das eigene Verhalten positiv auf das Gegenüber auswirkt.
Und da ist der angesprochene Punkt: Die Behinderung. Ich denke in dem Bezug häufig darüber nach, dass ich auf das Gegenüber, aufgrund meiner körperlich sichtbaren Einschränkung, ja nicht ganz so fit, wie die anderen Jungs, wirke. Und auch stelle ich mir die Frage, wenn ich nicht behindert wäre, würde ich dann mit einer Behinderten zusammen sein wollen oder wäre das ein Kriterium, wo man sagt, egal wie nett man den Anderen findet, das möchte ich nicht…?
Ich denke, da bin ich etwas kopflastig und deshalb wahrscheinlich auch nicht immer ganz so locker, wie mach ein Anderer. Jedoch kenne ich auch ein paar, die dieselbe Behinderung wie ich haben und denen geht es im Bezug auf ihre Einschränkung sehr ähnliche. Eine gewisse Unsicherheit macht sich breit. Vielleicht berechtigt, vielleicht aber auch nicht. Das vermag ich nicht einzuschätzen. Aber was ich weiß, ist dass ich mir mit dieser eigenen Unsicherheit wahrscheinlich einfach selbst im Weg stehe.
Was für einen Sinn dieser Beitrag hatte und wieso ich ihn geschrieben habe? So genau weiß ich es nicht. Was ich aber weiß, dass ich mit der Thematik Behinderung offen umgehe, ich hier im Blog auch manchmal etwas Persönlicheres preisgebe und ich denke, dass dieses Thema daher schon hier her gehört. Ganz davon abgesehen macht mir das Schreiben, selbst über ein solches Thema, eine Menge Spaß 🙂
25 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Guter Beitrag Jan 🙂
Wow wirklich ein klasse Beitrag!
Großen Respekt.
Hey Jan,
Cool wie offen du mit dem Thema umgehst. Ich widerspreche dir nicht, dass eine Behinderung eine zusätzliche Hürde zwischen zwei Mensch sein kann. Wie groß sie aber ist, hängt davon ab, wie sehr sie beachtet wird. Du solltest versuchen deiner Behinderung in Bezug auf Mädels genau so wenig Beachtung zukommen zu lassen, wie du es im Alltag schon machst, dann wird die zusätzliche Hürde bald weg sein. Oder zu einer humorvollen Hürde werden. 😉
Ich wünsch dir viel Glück dabei. Und by the way, du kannst echt gut schreiben. 😉
Gruß @Xam_Green
Theorie und Praxis. Natürlich weise ich, dass ich einfach so damit umgehen sollte. Doch in der Praxis kann ich es noch nicht so gut umsetzten. Naja, wird bestimmt noch, da bin ich mir sicher 😉 Ach ja, und danke für dein Lob 🙂
Hallo Jan, ich finde es toll, dass du so locker (so kommt es jedenfalls rüber, wenn man deinen heutigen Bericht liest) mit deinem Unterfangen umgehst. Es wäre schön, wenn du damit alle die erreichst, bei denen es an Verständnis mangelt und diejenigen, die mit einer ähnlichen Situation nicht umzugehen wissen. Alles Gute weiterhin für dich!
Das hast du richtig erkannt, ich gehe locker, manchmal sogar selbstironisch, damit um, denn damit baut man Hürden auf dem Gebiet schneller ab. Und bzgl. erreichen von Anderen. Habe da noch so ein Projekt im Hinterkopf, wozu mir aber momentan noch Leute fehlen 😉
Hallo Jan,
schön, dass Du so offen über Intima auskunft gibst und uns so an Deinem Leben teilhaben lässt.
Ich finde, dass Du einer der normalsten Menschen bist, von denen ich gelesen haben. In Bezug auf die Damenwelt brauchst Du Die keine Sorgen machen. Das geht es Die so, wie jedem anderen auch.
Worüber ich mich freuen würde, wäre die Einsicht der Menschen, dass Menschen mit Beeinträchtigung nicht von ihrer Umwelt weiter stigmatisiert werden. Behinderung ist das Verhalten der Umwelt auf eine Person mit Beeinträchtigung, niemals die Person selber. Du wirst jemanden finden, die genau das verstanden hat. Danke, dass Du so einen teil dazu beiträgst, die berrieren in den Köpfen der anderen abzubauen.
Klasse Beitrag!
Großen Respekt für diesen Beitrag!
Schon amüsant. Ein nicht technischer Beitrag, bei dem ich mit überlegt habe ob ich diesen überhaupt veröffentlichen sollte, bringt so viel Resonanz. (Hier und auch einige PNs)
Auch technikaffinierte Menschen sind halt auch nur Menschen 😉
Hehe, wenn nicht wäre ich beunruhigt 😉 Aber ich meine das in sofern, dass in meinem Blog fast nur auf die technisch geprägten Artikel Resonanzen reinkommen. Normalerweise zumindest.
Hallo Jan,
Du bist nicht nur klug, sondern auch noch mutig!
Danke 🙂
Lieben Gruß,
Kandinsky
Tja, den Mut vom Schreiben über solche Themen brauch ich nun nur noch in der Umsetzung 😉
Jan, Du hast meinen höchsten Respekt!
Hey Jan,
mal so ganz unter uns ITlern, eine Behinderung benötigen wir nun wirklich nicht, um schüchtern zu wirken.
Schüchternheit erfüllt doch eigentlich jedes zwischenmenschliche Klischee eines „Nerds“.
Ich muss zugeben, ich kenne dich noch nicht besonders lang, aber als ich den Beitrag hier las, musste ich schmunzeln.
Wenn du wirklich so bist, wie du dich beschreibst, dann brauchst du bei Frauen wirklich nicht schüchtern zu sein. 😉
Viel Erfolg für die Zukunft!
lg
Ich glaube der Klischee Nerd passt auf mich nicht wirklich. Ich würde mich selbst zwar keineswegs als Marktschreier bezeichnen, jedoch denke ich bin, dass ich nicht so der Introvertierte bin, wie man sich einen Nerd so vorstellt 😉
Hi Jan,
eine kluge Entscheidung dein privates Thema hier im Blog darzustellen, so habe ich die Gelegenheit es zu lesen und dir hoffentlich etwas (Liebes)-Mut mit auf deinen Wg zu geben.
Geniesse dein Leben und all seine Überraschungen, die es noch für dich auf Lager hat.
Deine passende Wegbegleitung wirst du mit Sicherheit kennen und lieben lernen.
Mach dir deswegen keinen Kopf, die gleichen Gedanken hat so jeder durchmachen müssen und werden sich im Leben immer wiederholen (mal so oder ähnlich).
Also gib Gas und bagger was das Zeug hergibt 😉
Nebenbei noch ein dickes Lob zu deinem Block und an die sehr informativen und gut geschrieben Themen.
Zuerst mal bin ich heute über Deinen Blog gestolpert und finde ihn wirklich cool.
Zum Thema des Artikels: Toll, dass Du darüber schreibst – ich würde über das Thema auch gerne von Zeit zu Zeit mal wieder was lesen.
Bei uns sagt man: Jeder hot sei päckle zom traga. Der eine mehr, der andere Weniger. Ob es jetzt körperliche Einschränkungen oder Behinderungen sind, Schwierigkeiten im Umgang mit anderen oder die krampfhafte Unfähigkeit die Man-Page eines Linux-Tools zu lesen.
Die Frage ist, wie man damit umgeht und mir ist da der offensive Umgang angenehmer, als wenn man nicht weiß, wie man die Leute anpacken soll. Natürlich gibt es Leute, die das ganze etwas auf die Spitze treiben, bis man das Thema nicht mehr hören kann – aber das halte ich eher für ein Problem im alltäglichen und nicht durch das Internet gefilterten Umgang. Also : Danke für den ehrlichen Artikel!
Freund mich immer wieder solche Resonanzen auf diesen Artikel zu erhalten 🙂
Hallo jan .
und ich bin jetzt eigentlich schon ein langwieriger über einen jahr lese ich deine blogs und denke mir immer und immer wieder du als mensch hast sehr viel drauf aber woher nimmst du die zeit zocken raspberry pi cubieboard schule und den mut hier etwas so persönliches preiszugeben
und ich möchte dir einmal meinen größten respekt hier geben weil du so grossen mut bewiesen hast und du auch sonst von der schreib weise her sehr sympathisch bist und zu bewundern hab deinen blog damals gelesen und wegen dir hab ich mir ein raspberry pi gekauft damals und siehe da es sind schon 2 raspberry pi B ein beaglebone black und ein cubietruck in lieferug danke das du mich mit deinen themen angesteckt hast ist mittlerweile ein großes hobby von mir 🙂
liebe grüße aus Österreich johann
Danke für die netten Worte und schön, dass ich dich anscheinend mit dem Raspberry Pi Fieber anstecken konnte 🙂
Woher ich die Zeit nehme: Ich versuche möglichst viel zu tun was für mich Mehrwertcharakter hat. Wie diesen Blog, mich der Herausforderung mit einer Hand zu spielen zu stellen, für mich interessante Dinge mir selbst anzueignen und die Schule in der Form zu machen, wie ich Sinn darin sehe. Anstatt Mehrwertcharakter könnte man auch sagen: Ich überlege mir ob das was ich gerade mache wirklich Sinn hat. Und wenn nicht, lasse ich es bleiben. Folglich trinke ich bislang bspw. keinen Alkohol, da mir der Sinn, der Mehrwert (noch) nicht klar ist. Folglich feiere ich nicht. Diese Denke gepaart mit Disziplin durch Eigen- und auch Fremdmotivation (durch Leute wie dich, die sagen es sei toll was ich mache ;)) glaube ich ist das, was mir Zeit gibt. Außerdem mach ich wenig Urlaub: In dem Großteil meiner Schulferien arbeite ich an solchen Dingen wie oben benannt.
Aber dank deines Kommentars folgt dazu im Juli auch noch ein eigener Beitrag in die Richtung 😉
[…] ein paar Wochen fragte mich Johann in den Kommentaren woher ich die Zeit nähme mich mit all dem zu beschäftigen was man hier im Blog so mitbekäme. […]
Hey Jan,
ich bin eigentlich mehr oder weniger nur durch Zufall auf diesen Artikel gekommen, da dieser in dem Artikel „Wie ich produktiv bin: Leben mit Mehrwertcharakter“ verlinkt war.
Ich finde es echt beeindruckend wie offen und leicht du mit deiner Behinderung umgehst. Wirklich beeindruckend. Da du schon das Thema ‚Mädchen‘ angesprochen hast, so denke ich, muss man sich darüber nicht allzu stark den Kopf zerbrechen. Sowas passiert oftmals überraschend und völlig unerwartend. …so zumindest sehe ich das.
Sehr interessanter Artikel….und noch Viel Glück auf deinem weiteren Weg, mit der Schule, deinem Blog und…natürlich den Mädchen und allem anderen 🙂
Die Offenheit wird im August noch einen Schritt weitergehen. Neues Projekt 😉
[…] anzugehen. Vergangenen Oktober schrieb ich dann aus einer Laune heraus in diesem Blog den Beitrag Hey Jan, du bist behindert!, den ich fast nicht veröffentlicht hätte, da ich mich schon fragte, ob ich so etwas Persönliches […]