SoBehindert: Rückblick, Erfahrungen und Zukunft des Projektes
Im Juli 2014 ging auf meinem YouTube Kanal SoBehindert das erste Video online, doch so richtig los ging es erst im August. Seither kommt jede Woche ein neues Hauptvideo und gelegentlich ein Aktions- oder Infovideo. Mit dem heutigen Sonntag wird das Projekt in andere Wege laufen und damit ist es Zeit einmal auf die letzten sechs Monate zurückzublicken.
Der Anfang
Das Ziel des Projektes SoBehindert war es das Thema Behinderung auf lockere Art näherzubringen. Prinzipiell rede ich ganz offen und easy über das Thema, jedoch musste ich merken, dass es durchaus etwas anderes ist vor der Kamera zu stehen als mit einer Person zu sprechen. Anfangs saß ich zum Drehen auf einem Tisch und das so starr wie ein Holzbrett. Außerdem hatten wir zu Beginn immer wieder geringfügige technische Schwierigkeiten: Mal hatte das Bild einen starken Gelbstich, mal fiel der Ton aus, mal… Und auch das Thema schminken und pudern, damit das Gesicht hübsch aussieht, war zu Beginn ein wöchentlicher Lernprozess. An die harten Jungs unter euch: Ja, ich schminke mich vor der Kamera und sehe darin keinerlei Problem 😉
Später sind wir dann dazu übergegangen, dass ich die Videos im Stehen moderiere und die Kamera etwas von oben auf mich gerichtet ist, was den Vorteil hatte, dass gleich viel mehr Bewegung in das Bild gekommen ist, was etwas mehr Lockerheit versprühte.
Viele Formate, viele Ideen
In den 42 Videos, die inzwischen auf dem Kanal hochgeladen wurden, probierten wir viel aus. Angefangen von klassisch Erklär-Vlog, über szenische Darstellung und Sketchen, aber auch Let’s Talk in dem wir mit anderen Behinderten über ihre Behinderungen sprachen, um damit andere Sichten auf das Thema zu gewähren. Zahlenmäßig haben diese Videos, wahrscheinlich auch der Länge geschuldet, die wenigsten bis zum Ende gesehen, jedoch war das Feedback derer, die etwas schrieben, bei Let’s Talk subjektiv am besten. Nicht zu vergessen sei, dass wir Gaming oder auch Autofahren mit Behinderung ausprobieren. Außerdem stellten wir Projekte, wie zuletzt Wheelmap vor, in deren Videos ich ansätzlich meine technischen Ansprüche verwirklichen konnte.
Begonnen haben wir diese Videos mit drei Rollen, die ich spielte: Dem Normalo, der einen normalen, lockeren Behinderten darstellt, dem Klischeebehinderten, der an allem etwas zu meckern hat, und dem Idioten, der gerne auch mal etwas pseudo-cooler drauf war als alle anderen. Im Laufe der Zeit haben sich diese Rollen aus den Videos geschlichen, da Claudius, der bei fast jedem Video hinter der Kamera half, sich auch vor diese traute.
Menschen, YouTuber und Kontakte
Im Juli waren wir noch zwei Jungs, die versuchten Videos zu drehen und für die, zumindest in meinen Auen, die großen YouTuber trotz deren Netznähe in unerreichbarer Ferne schienen. Doch diese Beziehung hat sich in den vergangenen Monaten etwas geändert, da ich mit einigen Jungs und Mädels aus der Szene etwas in Kontakt kam. Darunter ClemensAlive, Maxi von High5, Mirko von MrWissen2Go, Fabian von dailyknödel, aber auch Oguz von YTITTY und Philipp Steuer. Leute, die ich mir im Sommer nicht vorstellen hätte können kennenzulernen – wenn auch großteils nur flüchtig.
Aktuell haben wir rund 5.500 Abonnenten, wobei diese nicht von irgendwo her kommen. Bereits in den ersten Wochen stellte uns WilhelmKramerLP auf dessen Kanal vor, wodurch ein paar hundert Zuschauer den Weg auf den Kanal fanden. Richtig krass wurde es jedoch als MrTrashpack uns zum Kanal der Woche machte und die Abozahlen über Nacht in den vierstelligen Bereich schossen. Den ruhigen Abend konnte ich vor lauter Kommentaren an diesem Tag knicken.
Aller guten Dinge sind drei und es gibt auch einen dritten, der uns bei dem Projekt SoBehindert etwas unterstütze: Oguz von YTITTY. Über ihn nahm ich in den vergangenen Monaten spontan einen Gastbeitrag für den Nachrichten Kanal Was Geht Ab!? auf und im Januar drehten Oguz, Philipp Steuer und ich in Köln für Sendertime drei Folgen Adventure Time, in denen die beiden einen Tag Selbsterfahrung im Rollstuhl erlebten.
Außerdem war im Januar die #YouGeHa (YouTuber gegen Hass) Aktion bei der sich diverse Wissens-YouTuber, darunter auch wir mit SoBehindert, gegen (Fremden)Hass ausgesprochen haben. Initiiert wurde die Aktionswoche von Mirko alias MrWissen2Go, über dessen Idee eine Wissens-YouTuber Gruppe aufzubauen ich zu weiteren YouTubern Kontakt bekam.
Netzkontakte sind jedoch nicht alles, sondern Menschen persönlich und regelmäßig zu treffen hat eine nicht verachtenswerte Qualität. Steve von BreakoutTV organisiert mit dem Café Netzwerk einmal im Monat das YouTuber und teils Zuschauertreffen TubeMunich in München. Dort habe ich neben Steve auch Meli von maanmelanie, die Jungs von MunichFlash, die (Smashtag Gags) Smags und einige weitere richtig nette Jungs und Mädels kennengelernt, die das Interesse Video teilen. Dabei gaben die Treffen jedes mal wieder Motivation immer weiter zu machen. Ehrlich gesagt weiß ich nicht ob ich es geschafft hätte ohne diese Art der Motivation über sechs Monate hinweg jede Woche ein Video zu produzieren, da es durchaus auch Momente gab in denen ich mich fragte ob der Aufwand im Verhältnis dazu steht was bei einem Video rauskommt.
Planung, Zeitrahmen und Motivation
Während einige mit YouTube aus Langeweile anfangen und daraus Großartiges entsteht, begann ich damit Videos zu produzieren, da es für mich eine Herausforderung darstellte. In erster Linie eine technische Herausforderung.
Den meisten, die diesen Artikel lesen, brauche ich nicht erzählen, dass SoBehindert nicht mein erstes Webprojekt ist. Der Blog, Raspifeed, Voocler und Mediee um nur ein paar Beispiele zu nennen. Diese Projekte hatten jedoch alle nichts mit Video zu tun und somit war es für mich reizvoll noch einmal in diesen Teil der Medien zu blicken. Wer sich die Frage stellt warum ich dieses Medium mit dem Thema Behinderung verknüpft habe, dem sei eine ganz einfache Antwort zu geben: Beim Programmieren sieht man die Behinderung nicht. Beim Bloggen oder Fotografieren sieht man die Behinderung nicht. Vor einer Kamera sieht man die Behinderung jedoch. Außerdem ist sie ein Teil von mir; ich rede locker drüber und auf YouTube sah ich niemanden der das tat. Damit war das mein Thema.
Gleichzeitig wurde mir schnell klar, dass ich Videos alleine nicht wirklich umsetzen kann, denn ohne jemanden hinter der Kamera sind die Möglichkeiten doch sehr beschränkt. Daher holte ich mir Claudius ins Boot, der mich bei den meisten Videos hinter der Kamera tatkräftig unterstützte und für dessen Hilfe ich echt dankbar bin.
Das Thema war gesetzt, der Name gefunden, ein Mitstreiter dazu geholt und die Motivation klar. Dazu setzte ich dem Projekt einen klaren Zeitrahmen: Im Juli produzierten wir für August und zwei Folgen für September vor. Wir wollten sehen was für Feedback kommt und dann entscheiden ob wir den Kanal weiterführen, oder diesen als sechs Wochen Experiment beenden. Aus sechs Wochen wurden über sechs Monate und damit die zweite Zielsetzung jede Woche ein Video raushauen, bis wir den Fokus auf das Fachabitur legen müssen. An diesem Punkt sind wir jetzt angekommen.
Learnings aus sechs Monaten SoBehindert
Die technischen und didaktischen Erfahrungen vor bzw. hinter der Kamera sind ein paar der Learnings, die ich aus sechs Monaten wöchentlicher Videoproduktion mitnehmen konnte. Jedoch gab es weitere, die ich eher zu persönlichen Erfahrungen zählen würde:
- Ich bin ein Netzkind, das viel Zeit vor den Quadraten verbringt. Die Annahme war also, dass ich mit Videos endlich mal mehr raus gehe – zum Drehen. Dies stellte sich jedoch als Fehlannahme heraus, da wir merkten, dass es wesentlich einfacher ist Indoor zu filmen.
- Außerdem ging ich davon aus, dass es sich cool anfühlen würde ein Gesicht zu sein, dass von Leute gekannt wird. Und ja, das ist es auch. Ich wurde sogar mal auf der Straße erkannt – ein Moment der großen Freude. Jedoch muss ich ein solches Gesicht, das letztendlich darauf reduziert wird wie man sich vor der Kamera gibt, auch nicht unbedingt sein. Ich stehe gerne hinter der Kamera und bin der, der die Fäden im Hintergrund zieht, denn reden und sich darstellen können andere bestimmt besser als ich. Die technische Herausforderung finde ich viel spannender als zu performen. Das geekige Netzkind schlägt einfach durch 😉
- Ich möchte Videos produzieren, die mich herausfordern. Jede Woche ein Erklär-Vlog ist schön, aber irgendwann keine Herausforderung mehr. Herausfordernde Ideen benötigen Zeit, die man sich nehmen muss. Ein normales SoBehindert Video hat ca. 10-14 Stunden pro Woche in Anspruch genommen bis alles von Script schreiben, über Drehen und Schneiden bis hin zu hochladen, teilen und kommentieren erledigt war. Die Videos neben Schule, Projekten, Kunden & Co. auf ein anderes technisches Niveau zu heben ist wöchentlich momentan leider nicht möglich.
- Des Weiteren habe ich während meiner Zeit vor der Kamera und im Schnitt gemerkt, dass das Thema Sprache und Stimme für mich reizvoll erscheint. Wenn man weiß wie man sich mit einem anderen Ausdruck verständigen kann, kann dies in vielerlei Situationen seine Vorzüge haben.
- Nicht zuletzt stellte ich mir auch die Frage: Was macht mir persönlich Spaß? Ich blogge, programmiere, administriere Server, plane und realisiere Webprojekte, fotografiere und produziere nun auch noch Videos. Wenn ich mich mit Sprache auseinandersetze vielleicht auch noch etwas Podcast artiges. Alles macht auf seine eigene Art Spaß und die Resonanz auf meine Arbeiten fallen meist richtig positiv aus. Jedoch muss ich Prioritäten setzen – denn der Tag hat nun mal leider nur 24 Stunden.
Wie es mit dem Projekt SoBehindert weiter geht
Vorerst werden wir (Claudius und ich), um einen erweiterten Fokus auf das Lernen zu legen, keine wöchentlichen Videos mehr produzieren. Außerdem möchte ich mir wieder etwas mehr Zeit für den Blog nehmen, den ich in den vergangenen zwei Monaten in dessen Pflege etwas vernachlässigt habe. Auch möchte ich mir ein wenig mehr richtige Freizeit nehmen. Videos produzieren ist auch Freizeit, aber gleichzeitig anstrengend. Der Punkt Entspannung blieb in den letzten Monaten mehr denn je auf der Strecke. Daraus resultierend werden wir im März, April und Mai je ein Video veröffentlichen.
Wie es nach Mai 2015 mit dem Kanal weitergeht, steht noch in den Sternen. Der Weg von Claudius und mir wird sich trennen, da unsere Schulzeit ein Ende nimmt. Damit verlieren wir auch unseren Hauptdrehort Schule. In diesem Zuge habe ich künftig auch nicht mehr jeden Tag Behinderte um mich herum mit denen man mal drehen könnte um damit eine andere Farbe in die Produktion zu bringen. In der Summe fallen damit große Teile dessen, auf dem der Kanal aktuell basiert, weg. Außerdem bin ich im Sommer von Juli bis einschließlich September, bevor es mit dem Studium los geht, in der Weltgeschichte unterwegs und kann somit nicht abschätzen wie viel Zeit ich mir für Projekte nehmen kann, aber besonders wie viel Zeit ich mir nehmen möchte.
Vielleicht wir das auch zu einer Umorientierung des Kanals führen – hin zu einem Kreativspielplatz meiner Videos. Der Name SoBehindert würde insofern nach wie vor passen, da ich als Kern des Kanals meine Behinderung nicht verlieren werde 😉
Danke & Haut rein
An dieser Stelle ist noch einmal Danke zu sagen. Danke für über 5.500 Abonnenten, danke für diverse Kommentare, über die ich mich jedes mal wieder freue und danke für unglaublich viele Eindrücke und Bekanntschaften, die ich durch meinen YouTube Kanal in den vergangenen Monaten sammeln durfte. YouTube ist definitiv ein anderes Feeling als beim Bloggen oder Entwickeln von Software – da stecken Menschen dahinter, denen man auch mal außerhalb meiner geliebten Quadrate begegnet!
Ein Update wie es weiter geht wird sowohl an dieser Stelle als auch auf dem SoBehindert Kanal folgen. Derweil wird es auf meinem Zweitkanal künftig Vlogs als meinem Leben geben, da ich inzwischen eine Kamera zum einfachen Mitnehmen und Drehen mein Eigen nennen kann.
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Ich kenne dich nur durch deine super Raspi Anleitungen. Wieso hast du da nie Werbung für deinen Youtube Channel gemacht?! Hab gerade reingeschaut und bin direkt klüger, als noch vor einer Stunde 🙂 Cooler Typ!
Im August gabs mal ein Announcement dazu im Blog und in den sozialen Netzwerken habe ich gelegentlich mal die Videos geteilt. Das reicht meiner Meinung nach, denn ich möchte euch ja nicht mein Kram aufzwingen 😉