Lieben dürfen wie man liebt. Nicht selbstverständlich.
Ich sah gerade einen Film. Einen Film, der mich einmal mehr zum Nachdenken darüber brachte wie wunderbar es doch ist, dass wir in der heutigen Zeit leben. Der Film The Imitation Game spielt in den 1940er-Jahren. Europa, nein, die Welt, stand in Flammen. Nazi-Deutschland war auf dem Vormarsch und ermordete Millionen von Menschen. Grauenvolle Taten, die teils dadurch ermöglicht wurden, dass die Deutschen Enigma, ein Verschlüsselungssystem für Funknachrichten, hatten, welches über Jahre als nicht knackbar galt und das selbst mit heutiger Technik nicht einfach zu entschlüsseln ist. Um den Krieg zu wenden, war es von nicht unbeachtlicher Wichtigkeit den Funk der Deutschen abhören zu können und somit taktische Manöver zu planen. Alan Turing war einer der Menschen, der an der Entschlüsselung arbeitete und letztlich erfolgreich war. Er schaffte es jedoch nicht nur für den Krieg relevante Teile von Enigma zu entschlüsseln, sondern hielt diesen Erfolg auch in militärischen Kreisen geheim, sodass die Gefahr einer offensiven Verteidigungsstrategie nicht ausgeschöpft wurde, was womöglich zur Folge gehabt hätte, dass Deutschland schnell auf andere Verschlüsselungen gewechselt und der Krieg somit einen anderen Verlauf genommen hätte. Turings Errungenschaft war auch die Turingmaschine, welche eine wichtige Grundlage für das was wir heute in unseren Hosentaschen mit uns tragen, Computer, darstellt.
Man möge meinen, es sei ein Mann der die Welt ein Stück verändert hat und damit ein Leben in Erfüllung hätte leben sollen. Sein Leben endete jedoch im Alter von 41 Jahren durch einen Selbstmord. Der Grund bestand darin, dass in den 1950er-Jahren Homosexualität in Großbritannien strafbar war. Wenn man überlegt, dass es in unserer heutigen Gesellschaft eine legitime – und doch teils noch immer schräg betrachtete – Verhaltensweise ist lieben zu dürfen wen man begehrt, so ist es erschreckend, dass erst 1967 (England und Wales), 1981 (Schottland) und 1982 (Nordirland) Homosexualität straffrei wurde. Turing stand vor der Wahl einer Haftstrafe, die ihm seine erfüllende Arbeit genommen hätte, und einer Hormontherapie zur Sterilisierung, die ihn letztlich in den Suizid trieb.
Heute, ja heute kann man in die Welt hinausrufen wen man liebt. Egal ob Mann und Frau, Mann und Mann, Frau und Frau oder ob man ganz andere sexuelle Vorlieben hat. BDSM, Cisvestismus, Autonepiophilie und viele andere sexuelle Vorlieben sind möglich. Natürlich wird man nicht für jede Art der sexuellen Liebe von allen Menschen auf vollstes Verständnis treffen, manchmal sieht man sogar besorgte Blicke, doch kann man diese heute mit gleichgesinnten ausleben ohne in der Angst zu leben dafür staatlich bestraft zu werden.
Zumindest in Westeuropa. Und das war zwei Generationen von meiner noch nicht denkbar, wie das Beispiel von Alan Turing zeigt. 1968 befragte die IfD Allensbach 2.000 Menschen ob in Deutschland Homosexualität legal sein soll, was 45% verneinten und 17% kein Urteil dazu abgeben wollte. 1969 wurde gleichgeschlechtlicher sexueller Verkehr ab 21 Jahren in Deutschland legalisiert, und erst 1973 ab 18 Jahren. Fuck, die (fast) Legalisierung von Homosexualität – nur die sexuelle Handlung abseits gesellschaftlicher Themen der Gleichstellung, Ehe und anderen Fragen – in Deutschland ist erst 43 Jahre her. Und auch heute ist das Schicksal Turings kein Einzelfall. So steht Homosexualität in 76 Ländern weltweit nach wie vor unter Strafe, was bedeutet, dass Menschen nicht so lieben dürfen wie sie empfinden ohne damit rechnen zu müssen, dass dies folgenschwere Auswirkung auf ihr Leben hat. Ganz von der Gleichstellung von Mann und Frau in großen Teilen der Welt abgesehen. Und davon abgesehen was die gesellschaftliche Akzeptanz anbelangt. Man könnte meinen, junge Menschen in Deutschland sind sexueller Selbstbestimmung eher aufgeschlossen als ältere Menschen. Wenn man sich eine Umfrage aus 2009 unter Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren jedoch ansieht, so sagen 48% der Mädchen und 53% der Jungen sie könnten gleichgeschlechtliche Liebe nicht nachvollziehen. Das ist über den Daumen gepeilt jeder zweite Jugendliche, der mir begegnet, der sagt, er habe kein Verständnis dafür, dass man liebt, wen man liebt, wenn das nicht das jeweils andere Geschlecht ist. Die Zahlen über Befragungen älterer Zielgruppen spare ich mir lieber, nachdem ich die über Jugendliche recherchiert habe.
Während ich Eingangs noch schrieb wie wunderbar es doch ist, dass wir in der heutigen Zeit leben, komme ich mittlerweile ins Grübeln ob man diese Aussage so stehen lassen kann. In der Hinsicht, dass man wohl viele Menschen nach wie vor im gewissen Maße als Homophob bezeichnen kann, lässt sich diese Aussage in Frage stellen. Was jedoch auf der anderen Seite betrachtet werden sollte, ist, dass wir in unseren Regionen, entgegen den vorherigen Generationen, den Schutz des Rechtswesens haben unsere Liebe ausleben zu dürfen, wie es unsere Herzen uns spüren lassen.
Was in mir bleibt, ist ein Gefühl, dass wir glücklich sein können aus Warte der sexuellen Interessen in unserer Zeit und Region zu leben, auch wenn es mich hin und her reißt, dass es wohl für viele Menschen da draußen, und sicher auch in meinem Umfeld, durchaus nicht so selbstverständlich ist, dass jeder lieben darf wen und wie er will. Mir fehlen die Worte, wie ich diesen Artikel fertig bringen soll, denn in meinen Augen ist es selbstverständlich, dass jeder lieben darf wen und wie er und sie begehrt, solang beide Seiten daran Spaß finden. Was nicht bedeutet, dass ich mir persönlich vorstellen könnte Gefühle für einen Mann zu haben wie für eine Frau, doch das ist völlig nebensächlich, denn das Wesentliche ist, dass jeder für sich persönlich Glück empfinden sollte. Egal in welcher Kombination, egal in welcher Form. Ich glaube wir müssen alle raus gehen und die gesellschaftliche Akzeptanz für sexuelle Einstellungen jedes Einzelnen weiter stärken!