Was bedeutet die Abschaffung der Telekom Internet-Flatrates?
Die Telekom kündigte Anfang dieser Woche an, ab dem 02. Mai 2013 im Privatkunden-DSL-Sektor die Flatrate abschaffen und stattdessen Volumina-Tarife einzuführen, was sowohl in der Technik-Szene, den Medien, also auch in der Politik auf harsche Kritik stieß. Im Folgenden Artikel werde ich erklären, welche Folgen diese Umstellung für den Endverbraucher hat, wieso die angewendete Art von Drosselung eine Gefahr für das Internet darstellt, wie sich vermutlich die Kosten für den Internet-Provider zusammensetzten, wieso die Telekom die Drosselung heute in den Verträgen festschreiben, aber erst 2016 umgesetzt werden soll, was die Hintergründe der Entscheidung sein könnten und was man dagegen unternehmen kann.
Was bieten die neuen Tarife konkret?
Die neuen Telekom-Tarife bieten nicht, wie bisher Flatrates an, mit denen man unbegrenzt im Internet mit voller Geschwindigkeit surfen kann, sondern sogenannte Volumina-Tarife. Konkret bedeutet das, dass man unbegrenzt viel im Internet surfen kann (es entstehen keine Mehrkosten nach einem gewissen Zeitraum), aber ab einer gewissen Menge von transportierten Daten bis zum Ende des Monats das Internet nur noch sehr langsam nutzen kann. Dieses Modell ist im mobilen Internet Gang und Gebe. Dort bucht ihr eine Internetflat 200 MB und wenn die 200 MB für diesen Monat aufgebraucht sind, geht alles nur noch im Schneckentempo. Die Telekom möchte diese Form des Internets nun auch im Festnetz-DSL-Bereich etablieren. Konkret drosselt sie eure Geschwindigkeit dann auf 384 Kbit/s, was z.B. das Ansehen von YouTube Videos unmöglich macht. Im kleinsten Tarif Call & Surf Basic mit DSL 16.000 bekommt der Kunde nach den neuen Tarifstrukturen 75 GB Inklusivvolumen. Würde man die DSL 16.000 Internetleitung wenn man surft komplett auslasten, währe das Limit nach 10 Stunden und 40 Minuten erreicht (im Normalfall ist keine Vollauslastung gegeben, aber ich denke ca. 60 Stunden sind realistisch). Danach wird das Internet bis Monatsende gedrosselt, außer der Kunde kauft zusätzliches Volumen. Bei einem Dreipersonenhaushalt dürfte nach meiner Einschätzung jeder 20 Stunden im Monat bzw. 40 Minuten am Tag das Internet nutzen, was für die meisten nicht ausreichend sein sollte, da lt. einer Pressemitteilung der Bitkom aus dem September 2010 Internetnutzer in Deutschland durchschnittlich 135 min. täglich das Internet nutzen.
Was für eine Gefahr birgt das neue Tarifmodell?
Neben den effektiv steigenden Kosten für den Kunden bergen die neuen Tarife eine andere Gefahr. An die 75 GB Inklusivvolumen wird der ganze Datenverkehr angerechnet, außer man nutzt Angebote der Telekom wie T-Entertain oder von Telekom-Partnern wie z.B. Spotify. Damit werden Eigen und Partner-Dienste ganz klar bevorzugt. Man muss sich einem Provider wie die Telekom bislang wie ein Paketdienstleister (z.B. DHL) vorstellen. Es werden Pakete mit Absender und Empfänger aufgegeben und entsprechend transportiert. Auf Grund des Postgeheimnisses dürfen die Paketdienstleister nicht hineinsehen, was in dem Paket drinnen ist oder Pakete von z.B. Amazon bewusst langsamer als Andere transportieren. Dies gilt jedoch, trotz des ähnlichen Prinzips des Internets, nicht für Provider wie die Telekom. Um sicherzustellen, dass Angebote der Telekom und deren Partner auch nach der Drosselung in voller Geschwindigkeit ankommen, muss die Telekom in jedes Paket hineinsehen, um zu sehen, was von wem und an wen geht. Daraus folgt, dass einzelne Dienste bevorzugt behandelt werden und Pakete geöffnet werden. Ersteres nennt sich Verletzung der Netzneutralität und Zweiteres währe in meinen Augen eine äußerst gute Struktur für Zensur, welche die Telekom aufbaut. Im Gegensatz zum Postgeheimnis ist die Netzneutralität (Gleichberechtigung Aller im Internet) in Deutschland nicht gesetzlich festgeschrieben. Denkt man weiter, so ergeben sich weitere Geschäftsmodelle. Neben den Basis-Kosten und den Kosten für mehr Datenverkehr könnten Provider damit sagen, dass z.B. Facebook, Google oder YouTube nur noch gegen ein zusätzliches Entgelt gleichschnell wie dritte Anbieter oder eigene Marken geladen werden. Wie das als Tarifstruktur aussehen könnte, hat Avatter.de in einer (noch satirischen) Grafik dargestellt und zeigt auch das oben eingebundene Video:
Was kostet das Internet für die Telekom?
Als Grund für diese Entscheidung gibt die Telekom lt. Fragen und Antworten auf deren Webseite an:
„Wir wollen den Kunden auch in Zukunft das beste Netz bieten und dafür investieren wir weiterhin Milliarden. Immer höhere Bandbreiten lassen sich aber nicht mit immer niedrigeren Preisen finanzieren.“
Diese Aussage klingt zunächst einmal verständlich, da das Internet in den letzten Jahren immer mehr genutzt wird, bedarf jedoch einer Nachprüfung. Gehen wir wie oben wieder vom Tarif Call & Surf Basic mit DSL 16.000 und ab dem 02. Mai 75 GB Inklusivvolumen für 29,95€ pro Monat aus (Link zu den Tarifen). Wenn man die Mehrwertsteuer/Umsatzsteuer einmal abzieht, da die folgenden Angaben Nettowerte sind, bleiben der Telekom noch 25,17€ zum Bereitstellen des Internets und für den Gewinn. Schaut man sich die Bilanz der Telekom aus dem Jahr 2012 an, so kann man aus diesem für die Geschäftstätigkeiten der Telekom in Deutschland einen Umsatz von 22.388 Mio. € und einen Gewinn von 4.683 Mio € lesen. Das bedeutet, die Telekom macht in Deutschland durchschnittlich 21,92% Gewinn. Rechnen wir diesen pauschalisierten Gewinn von den 25,17€ weg, so hat die Telekom für die anfallenden Kosten 19,66€ zu Verfügung. Doch was kosten Internet für die Telekom? Prinzipiell funktioniert das vereinfacht so: Die Telekom darf das Netz eines Drittanbieters nutzen und der Drittanbieter das Netz der Telekom. Dabei wird gezählt, wie viel der Provider über das Netz des Anderen sendet und wenn Einer mehr als der Andere gesendet hat werden Ausgleichszahlungen getätigt. Das Prinzip nennt sich Peering und abgerechnet wird in Mbit/s pro Monat. DSL 16.000 sagt aus, dass der der Benutzer max. 16 Mbit/s nutzen kann. Nach den neuen Tarifen jedoch nur, bis die Grenze von 75 GB Datenverkehr erreicht wird. Wenn man davon ausgeht, dass die 75 GB komplett aufgebraucht werden und das in Verhältnis zurzeit (1 Monat; 30 Tage) setzt, muss die Telekom für den Kunden effektiv 0,2486 Mbit/s bereitstellen. Laut DrPeering.net liegt nach Prognosen aus dem August 2010 im Jahre 2013 1 Mbit/s bei 1,57 USD/Mbit/s pro Monat (1,21€; Stand 25.07.2013) – Tendenz fallend. Damit liegen die Kosten für den DSL 16.000 Anschluss mit 75 GB Traffic bei max. 0,30€ pro Monat, wenn die Telekom ihr Netz Drittanbietern nicht zu Verfügung stellt. Von den 19,66€ die zur Verfügung stehen werden als 0,30€ Kosten abgezogen, womit wir bei 19,36€ währen die noch über sind. Die Telekom hat natürlich auch Gemeinkosten (Verwaltung, Vertrieb, Servicemitarbeiter usw.) und muss das Netz bis ins Haus des Kunden warten (und irgendwann mal ausbauen). Doch ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Kosten pro Haushalt 19,36€ betragen. Diese Annahme bestätigt auch die Aussage von dem Business-Routerhersteller Viprinet, lt. Golem:
„‚Die Begründung, dass die Drosselung eingeführt werde, damit die Backbones nicht überlastet werden‘, sei unglaublich, so Viprinet-Geschäftsführer Simon Kissel. ‚In Deutschland gibt es gigantische Backbone-Überkapazitäten‘, der Datenverkehr sei dort zu Spottpreisen zu realisieren. ‚Bei einem DSL-Zugang macht das in der Gesamtkalkulation des Providers nur Cent-Beträge aus.‘„
Vielleicht sagt der Eine oder Andere nun, dass dies noch immer nicht belege, dass die 19,36€ zu viel für die Gemein- und Eigennetzkosten sind. Kommen wir hierzu auf den momentanen Gewinn der Telekom von 21,92% zurück, so sieht man, dass die Telekom auch bei den aktuellen Tarifen wohl keine finanziellen Probleme hat. Selbst wenn man davon ausginge, dass ohne Drosselung die 16 Mbit/s-Leitung 24 Stunden am Tag den ganzen Monat voll ausgenutzt werden würde (völlig unrealistisch hoch), würden Kosten auf Basis der oben genannten Daten von exakt 19,36€ zustande kommen und damit nur die Gemein- und Eigennetzkosten ungedeckt sein.
Schlussendlich ist zu sagen, dass die Traffic-Kosten nicht wie von der Telekom angegeben der Grund für die Internetdrosselung sein können.
Wieso schreibt die Telekom heute das Traffic-Limit fest, obwohl es vsl. frühestens 2016 umgesetzt werden soll?
Die Telekom kündigte im Zuge der Traffic-Begrenzung an, dass diese vsl. frühestens 2016 umgesetzt werden würde, aber ab dem 02. Mai 2013 in den Verträgen von Neukunden stünde. Die Frage, die sich dadurch stellt, wieso bereits drei Jahre davor diese Grenze in den Verträgen stehen muss – und zwar nur in den Neuverträgen. Letzteres dürfte klar sein, da die Telekom andernfalls alle Kunden kündigen müsste um einen neuen Vertrag mit den neuen Bedingungen zu schließen, was auch auf Grund des Medienechos viele Abwanderungen zur Konkurrenz zur Folge hätte. Jedoch sind drei Jahre im Voraus geschickt gewählt.
Mein erster Gedanke war, dass die neuen Verträge um ein bis zwei Euro günstiger sind als der Aktuellen und beim Auslaufen der Vertragslaufzeit die Telekom dem Kunden den neuen, günstigeren, Vertrag andreht und damit auch bei Bestandskunden eine Drosselung sichergestellt hätte. Aber wozu drei Jahre, bei zwei Jahren Vertragslaufzeit? Chip Online schrieb über den wohl eigentlichen Trick hinter dem gewählten Zeitpunkt. Die Telekom möchte bis 2016 alle Telefonanschlüsse von Analog und ISDN auf Voice over IP umstellen, wodurch zwangsläufig ein neuer Telefon-Vertrag nötig ist. Da bei der Telekom Telefon- und Internetvertrag gekoppelt sind, wird in den neuen Verträgen die Drosselung die ab dem 02. Mai in allen neuen Verträgen steht gleich mit unterschieben werden müssen.
Welchen Hintergrund hat die Entscheidung der Telekom?
Wie bereits oben an der Kostenrechnung zu sehen, wird die Kosten für den Traffic nicht der auszuschlagende Kostenfaktor. Daher werden vermutlich finanzielle Interessen hinter der Maßnahme stecken. Damit möchte man nicht mehr nur als Paketdienstleister tätig sein, sondern aktiv die Gestaltung des Internets der Kunden beeinflussen und dauerhaft wahrscheinlich ein, oben noch satirischen dargestelltes, Vertragssystem einführen, welches den Gewinn anschwellen lässt. Gleichzeitig schafft die Telekom damit effektive Strukturen, über die Zensur sehr effektiv möglich währen, denn wenn man sowieso schon aus wirtschaftlichen Gründen in jedes Paket hineinschaut, könnte man theoretisch auch ungewünschte Inhalte versehentlich fehlleiten.
Was kann man gegen die neuen Tarife machen?
Gegen die Geschwindigkeitsbeschränkung kann man eher weniger etwas machen, außer die Telekom zu Boykottieren und zu hoffen, dass die Konkurrenz nicht mitzieht – womit nach aktuellem Erkenntnisstand nicht zu rechnen ist. Es gibt jedoch gegen die neuen Tarife eine Petition unter https://www.change.org/de/Petitionen/deutsche-telekom-ag-drosselung-der-surfgeschwindigkeit-stoppen, welche man unterzeichnen kann. Gegen die Bevorzugung von Diensten der Telekom und deren Partner durch die Telekom kann man jedoch durchaus etwas unternehmen. Das Thema nennt sich, wie oben schon benannt, Netzneutralität. Das bedeutet, dass jedes Paket gleichberechtigt transportiert wird, egal was drauf und drin steht. Dies könnte man gesetzlich verankern, was z.B. in den Niederlanden schon geschehen ist. Damit könnte man verhindern, dass man auf dauer extra für z.B. YouTube, Facebook oder Google zahlen müsste. Was man konkret unternehmen kann?
- Am wichtigsten ist, dass zunächst möglichst viele Leute wissen, was Netzneutralität ist und das diese heute mehr den je in Gefahr ist. Ein sehr guter und ausführlicherer Beitrag als der Teil von diesem Beitrag ist Was ist Netzneutralität? Oder: Warum das freie und offene Internet in Gefahr ist von Netzpolitik.org. Des Weiteren finde ich das oben eingebundene Video von Alexander Lehmann (https://www.youtube.com/watch?v=bNw_2SSiVtE) über die Folgen einer Verletzung der Netzneutralität sehr informativ.
- Schreibe dem/der Bundestagsabgeordneten deines Wahlkreises dein Anliegen auf eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität. Wer der Budestagsabgeordnete deines Wahlkreises ist findest du z.B. unter
http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/(Seite wurde gelöscht) heraus. - Warten auf eine erneute Petition zur gesetzlichen Festschreibung der Netzneutralität, die von einem fachkundigen Mitbürger eingereicht wurde.
Update vom 22. Mai 2013: Es gibt nun eine ePetition zur gesetzlichen Festschreibung der Netzneutralität auf Bundestag.de. Mitzeichnen dauert nun fünf Minuten! Link: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2013/_04/_23/Petition_41906.nc.html
5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hier mal gut erklärt …. danke … A-B-C ist kacke …gegen Volumentarife hätte ich persönlich nichts einzuwenden. Was hier passiert ist Entschuldung der Vielsauger und Zensur der Kleinsauger
Sagen wir du liegst momentan bei den 20 GB, die die Telekom als Durchschnitt angibt. Lt. Prognosen wird der Traffic bis 2016 sich verdrei- bis vervierfachen. Damit währst du bei 60-80 GB, jedoch wird heute in deinem Vertrag 75 GB festgeschrieben. Damit wird zum Zeitpunkt der Umsetzung der Drosselung fast jeder Kunde des DSL 16.000 Tarifes von dieser betroffen sein. Gleichzeitig werden die Kosten für den Traffic auf etwa ein Drittel fallen (ca. 0,13€ je 100 GB). Ich glaube es ist doch dann nicht mehr wirklich relevant, ob der Normaluser den Poweruser mit ca. 0,50€ im Monat mitfinanziert, anstatt selbst z.B. 10€ je 100 GB Erweiterung, die benötig wird, zu zahlen, oder?
Gegen Volumentarife sollte man natürlich was haben! Man denke hier neben dem Videostreaming auch an Offside-Backups. Die Telekom ist ein Kabel, welches zum Betrag X gemietet wird. Das Internet ist das zukünftige Universalmedium. Man benötigt kein Radio, Satelliten oder terrestrisches Fernsehen, Telefon und was es nicht sonst noch alles gibt, sondern bekommt alles über das Internet.
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[…] Wie ja die Meisten bestimmt mitbekommen haben, wurde die DSL-Flatrate bei der Telekom für Privatkunden (vorerst nur Neukunden; bis spätestens 2018 alle) abgeschafft und wieder durch Volumina-Tarife ersetzt. Was das für den Endkunden aus meiner Sicht bedeutet, beschrieb ich vor ein paar Tagen in dem Beitrag Was bedeutet die Abschaffung der Telekom Internet-Flatrates?. […]