Raspberry Pi: Debian oder Arch Linux?
Auf dem Raspberry Pi lassen sich verschiedenste Betriebssysteme installieren. Die mit wohl am häufigsten verwendete Distribution ist jedoch Debian, welches auf dem Pi Raspbian heißt und das einige Optimierungen für den Raspberry Pi enthält. Gerade für Einsteiger in die Welt des Raspberry Pis beginnt die Reise mit Raspbian, das eine der ersten für den Raspberry Pi verfügbaren Distributionen ist. Jedoch lohnt es sich in Sachen Betriebssystem für den Raspberry auch einmal „über den Tellerrand“ zu schauen. Gerade Arch Linux bietet für den Raspberry Pi eine durchaus attraktive Alternative zu Raspbian. Warum das so ist, stelle ich an dieser Stelle kurz vor. Wer sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sicher mit dem Begriff „Distribution“ fühlt, dem empfehle ich einen früheren Artikel von Jan, in der er Debian Linux erklärt. Dort erwähnt er auch, was eine Distribution ist.
Unterschiedliche Ziele hinter Distributionen
Zunächst sei gesagt, dass die Entwickler hinter Distributionen häufig ein bestimmtes Ziel verfolgen. Um eine Redewendung zu zitieren: „Äpfel kann man nicht mit Birnen vergleichen“. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass Distributionen immer einen, oder natürlich mehrere, Zwecke verfolgen und dadurch andere Aspekte, die eventuell von anderen Distributionen aufgegriffen werden, unbeachtet bleiben.
Debian: Eine stabile Distribution
Bei Debian handelt es sich um eine Distribution, die möglichst stabil arbeiten soll. Das wird dadurch gewährleistet, dass die im Betriebssystem verwendete Software ausgiebig auf ihre Stabilität getestet wird. Das macht Debian zu einem Betriebssystem, das besonders im Betrieb auf Servern sehr beliebt ist. Klingt verlockend? Ja, wenn man auf die allerneusten Versionen aus Stabilitätsgründen verzichten kann bzw. möchte. Natürlich werden Sicherheitslücken schnellstmöglich geschlossen, aber andere Software wird erst dann Bestandteil des Betriebssystems, wenn die erwähnte Stabilität gewährleistet werden kann. So kann zwischen der neuen Version und der Verfügbarkeit bzw. Integrierung in Debian durchaus einige Zeit vergehen. Debian bringt bei der Installation viele Programme mit, die in Gruppen organisiert sind. So werden Gruppen für die Oberfläche, Hilfsprogramme, Tools und Weiteres installiert, das man vielleicht überhaupt nicht braucht.
Insgesamt hat man mit Debian trotzdem noch eine schlanke Distribution, die viele Tools von Haus aus bereits mitbringt. Die Aktualität der Software ist jedoch nicht primäres Ziel der Entwickler. Auch muss man manchmal erst aufräumen, wenn man nicht alle vorinstallierte Software haben möchte.
Arch Linux: Eine schlanke Distribution
Arch Linux ist im Vergleich zu Debian ein ziemlich krasses Gegenbeispiel. Arch Linux verfolgt das sogenannte KISS-Prinzip, das eine einfache und schlanke Distribution ermöglichen soll. Schon bei der Installation bemerkt man diese Ausrichtung: Der Installationsassistent erzeugt ein temporäres System, das sich der Nutzer nach seinen Wünschen ausstattet und konfiguriert. Am Ende des Prozesses wird das System auf die Festplatte installiert. Ein klassischer Installationsassistent, im Sinne von „weiter-weiter-akzeptieren-weiter-beenden“, wie von anderen Betriebssystemen gewohnt, gibt es hier nicht. Auch die Konfiguration von Programmen erfolgt über die Konsole, da laut der Arch Linux Philosophie diese sonst die Vorgänge im Hintergrund verdecken würde.
Man hat bei Arch Linux zwar bei der Einrichtung einen möglichen Mehraufwand, der sich jedoch durch ein resultierendes sehr schlankes System wieder bezahlt macht.
Ein weiterer nicht zu unterschätzender Punkt bei Arch Linux ist das Thema Aktualität: Arch Linux erscheint nicht in Versionen (z.B. 1.0, 2.0 etc.), sondern es werden monatlich die Installationsmedien aktualisiert. So stellen die Installationsmedien und verfügbaren Pakete häufig das neuest Mögliche dar, was von den Entwicklern zur Verfügung steht. Daher wird ein Nutzer von Arch Linux häufig sehr früh schon neue Versionen von Programmen erhalten, die in anderen Distributionen noch nicht zur Verfügung stehen. Jedoch gibt es auch hier einen Haken: Darunter könnte die Stabilität der Programme leiden. Daher sollte man auf Arch Linux erst dann einsteigen, wenn man sich schon etwas in der Linux-Welt umgesehen hat. Sonst läuft man schnell Gefahr, sich durch eine Inkompatibilität Teile des Systems unbrauchbar zu machen.
Persönliche Präferenzen und Einstiegsprobleme
Oftmals spielt bei der Wahl eines Betriebssystems eine persönliche Präferenz eine Rolle. Häufig kommt man auf einem Betriebssystem besser klar als auf anderen. Durch die Fülle an Distributionen, die es in der Linux-Welt gibt sollte jeder etwas für die eigenen Bedürfnisse passendes finden. Ein Paradebeispiel ist die Paketverwaltung zur Installation neuer Programme. Im Beispiel die Installation des Browsers Mozilla Firefox auf Debian und Arch Linux:
Debian
$ sudo apt-get install firefox
Arch Linux
$ sudo pacman -S firefox
Wie man sieht, ist der apt-get-Befehl von Debian gerade für Einsteiger besser nachvollziehbar als jener von Arch, da er sprechendere Bezeichnungen hat. So ist es häufig auch in anderen Begebenheiten. Nicht zuletzt sollte man sich bei der Wahl des geeigneten Betriebssystems nicht in seinen Kenntnissen überschätzen. Man fährt ja schließlich keinen Sattelzug, wenn man den Mofaführerschein gerade gestern gemacht hat.
Für wen eignet sich nun Debian und Arch Linux?
Ich spreche eine deutliche Empfehlung für Arch Linux für all diejenigen aus, die bereits einmal Linux benutzt haben. Zwar erfordert die Installation und Konfiguration erweitertere Kenntnisse in Sachen Linux, was jedoch mit einem extrem schlanken und ressourcenfreundlichen Betriebssystem belohnt wird, das allerdings mit Bedacht aktualisiert werden möchte.
Alle diejenigen, die erst in die Materie einsteigen bzw. erstmals mit dem Raspberry Pi in Kontakt kommen, sollten eher zu Raspbian (Debian) greifen. Zwar ist die Software verglichen mit Arch Linux nicht ganz so aktuell, jedoch ist diese gegebenenfalls stabiler. Natürlich kann man auch Debian mit einer Fehlkonfiguration ins Nirvana befördern, jedoch ist die verwendete Software sehr stabil. Für Raspbian kommt hinzu, dass es quasi mit dem Raspberry Pi groß geworden ist. Das bemerkt man nicht zuletzt an dem zentralen Konfigurationstool raspi-config, das viele Aufgaben, wie das setzen von Zeit und Datum, vereinfacht. Dieses Tool muss auf Arch Linux entweder nachinstalliert werden (mit Einschränkungen) oder man muss händisch in den Konfigurationsdateien Änderungen vornehmen.
Einsatz auf dem Raspberry Pi
Für den Raspberry Pi existieren sowohl für Debian als auch für Arch Linux vorgefertigte Images, die auf der Webseite der Raspberry Pi Foundation heruntergeladen werden können. Die Installation dieser Images ist ähnlich und wurde bereits von Jan ausführlich in einem Artikel für Debian und Arch beschrieben. Die Images ersetzen den Schritt der eigentlichen Installation – man startet quasi direkt in das installierte System.
Auf einen Blick: Debian und Arch Linux im Vergleich
Debian | Arch | |
---|---|---|
Zielsetzung | Möglichst stabile Umgebung | Schlankes und höchst aktuelles System |
Veröffentlichungsform | Reguläre Programmversionen | Abbilder des derzeitigen Entwicklungszustandes |
Notwendige Linux-Kenntnisse | Anfänger können unter Zuhilfenahme des Internets und der Community auch mit dem System umgehen und gut Erfahrungen im Linux-Bereich sammeln | Fortgeschrittene Linux-Kenntnisse sind Pflicht, da man ansonsten zwangsläufig bereits bei der Installation scheitert. |
Installation über einen grafischen Installer | Ja, sowohl über Maus als auch über die Konsole bedienbar. | Nein |
Vorinstallierte Programmpakete | Ja | Nein, man installiert sich bei der Einrichtung jede Software, die man benötigt, selbst |
Eignung und Ziel | Stabilität für lang laufende Systeme, z.B. Server | Versiertere Nutzer, die Wert auf schlanke Distribution und Aktualität legen |
Ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel, und der darin enthaltenen Darstellung der Unterschiede zwischen Debian und Arch Linux, dem Ein oder Anderen die Wahl zwischen Arch und Debian auf dem Raspberry Pi erleichtern konnte.
Wer auch abseits des Raspberrys eine Entscheidungshilfe für die Wahl der richtigen Distribution sucht, findet unter distrochooser.de ein Tool von mir, welches anhand der eigenen Wünsche eine Entscheidungshilfe für die richtige Distribution bietet.
Hallo, ich bin Christoph, ein Programmierer und Mensch hinter 0fury.de. Seit einigen Jahren bin ich Linux Nutzer und seit einigen Monaten insbesondere ein Enthusiast von Arch Linux. Ab und zu werde ich Gastbeiträge auf diesem Blog schreiben – hauptsächlich über Dinge rund um (Arch) Linux – in denen ich euch die Linux-Welt etwas näher bringen möchte.
8 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Hallo Christoph, toller Artikel.
Ich freue mich schon auf die Arch Linux Beiträge, da ich auch ein Fan von Arch Linux bin.
als Desktop variante nenutze ich insbesondere Manjaro (auf Arch aufbauend).
Jedoch für den Pi und auch manche Server finde ich Arch Linux super!
Gruß
cmdone–5F
Freut mich, dass dir der Artikel gefällt. Viele setzen neben Arch auch auf Manjaro, ich auch :).
Gruß
Christoph
Du vergisst grundsätzlich Gentoo 😉 Gerade für Menschen die sich RICHTIG mit dem System beschäftigen und hierfür auch Zeit haben ist die Distribution sicher nicht schlecht.
Hallo,
in dem Artikel habe ich Arch als Vergleich zu Debian erwähnt, da beide als Images für den „Normaluser“ zur Verfügung stehen. Natürlich kann man Gentoo nutzen, aber da beginnt es schon damit, dass man sich ein Image erzeugen muss, von dem man dann startet.
Wenn dieser Artikel jedoch allgemeiner Natur wäre (=ohne Bezug zum Raspberry), dann hätte ich Gentoo sicher auch mit erwähnt.
Gruß
Christoph
Alles klar 🙂 Deinen Standpunkt kann ich komplett nachvollziehen.
Dennoch stimmt die Info bzgl Gentoo nur halb. Denn von Gentoo gibt es ein fertiges ARM-Stage3, somit quasi auch fertiges Raspberry PI Image, soweit man bei gentoo von fertig sprechen kann.
Okay, das fertige Image kannte ich nicht. Danke für die Info
Hallo Christoph
vor kurzer Zeit habe ich die Kombination von Raspberry PI und Arch Linux entdeckt und finde das eine optimale Lösung. Eine Unschönheit habe ich noch nicht lösen können, für die es vielleich ein ganz einfache Lösung gibt. Bei jedem Neustart ist die Uhr auf 1970 eingestellt. Im aktuellen Image (2014-06-01) scheint ein ntp Prozess gestartet zu werden, allerdings nicht als Servoce. (es gibt einen ntpd-Service der nicht aktiv ist). Wenn ich jetzt einen Service für ein eigenes Programm starte, ist ev.die Zeit noch nicht synchronisiert und das Programm ist unter Umständen gar nicht glücklich über die plötzliche Datumsänderung um 44 Jahre während der Laufzeit. Der Service meldet im Status ebenfalls diese Laufzeit 🙂
Da ntpd nicht als Service gestartet wird, habe ich keine Möglichkeit gefunden um eine Abhängigkeit (Requires= and After=) in meinem Service zu definieren. Kennst Du eine Lösung für dieses Problem? Besten Dank für Hilfe oder Hinweisen für die weitere Suche.
Gruss, Stefan
Dieses Problem ist mir in der Tat bekannt. Ist der Dienst bei dir denn für den Start vorgesehen? Notfalls bitte per ’systemctl enable ntpd‘ aktivieren.
Startest du irgendwo sonst manuell den NTP-Prozess? Ansonsten könnte ich mir nicht vorstellen, warum der HIntergrundprozess des Dienstes starten sollte, aber der Dienst es nicht tut.
Was sagt ’systemctl status ntpd‘?
Gruß
Christoph